Auf dem Weg von der Kreidetafel zum interaktiven Smartboard
Kreisvolkshochschule Vechta e. V. setzt auf digitale Angebote kombiniert mit Präsenzunterricht

Stillstand, das ist für Ralf Schopmans, Leiter der Kreisvolkshochschule Vechta e. V. trotz Corona-Lockdown nie eine Option gewesen. Während Corona-bedingt so gut wie kein Präsenzunterricht im ersten Halbjahr stattfinden konnte, haben er und das Team unter Hochdruck an digitalen Lösungen gearbeitet. Im Interview erzählen die pädagogische Mitarbeiterin Elnaz Allen und Ralf Schopmans, wie sie die Kreisvolkshochschule Vechta e. V. in den vergangenen Monaten fit gemacht haben für die digitale Zukunft.
Frage: Wie sahen die ersten Schritte auf dem Weg zum digitalen Unterricht aus?
R. Schopmans: Mit der vhs.cloud hatten wir bereits eine Plattform, über die wir schnell die ersten Kurse umstellen konnten. Diese digitale Lernplattform des Deutschen Volkshochschul-Verbandes e.V. ermöglicht es, neue Lernangebote und Kommunikationswege datenschutzkonform in digitaler Form umzusetzen. Bereits während des ersten Lockdowns im vergangenen Jahr haben wir einige Projekt- und Auftragsmaßnahmen auf diesem Weg kurzfristig fortsetzen können und so gleichzeitig erste Erfahrungen mit Online-Unterricht gesammelt.
E. Allen: Zwischenzeitlich bieten wir auch im Sprachenbereich Online-Kurse an wie etwa Englisch, Italienisch oder Spanisch. Auch die langjährig bestehende Gruppe aus dem Lateinkurs für Erwachsene hat sich schnell an die neuen Gegebenheiten angepasst und ihre Treffen während des Lockdowns online fortgesetzt. Im Familientreff konnten Kurse wie Babymassage oder Eltern-Kind-Gruppen per Videokonferenz durchgeführt werden.
R. Schopmans: Wir haben zudem technisch aufgerüstet. So sind fast alle Seminarräume mit interaktiven Smartboards ausgestattet. Über Kameras werden die DozentInnen in die Wohnzimmer der TeilnehmerInnen übertragen. So lässt sich zukünftig auch Hybrid-Unterricht umsetzen, bei dem einzelne Teilnehmende zugeschaltet werden können, während andere im Präsenzunterricht in der Kreisvolkshochschule vor Ort sind. Die ersten Tests laufen bereits.
Frage: Welche Hindernisse galt es zu überwinden?
E. Allen: Die passende Technik ist eine grundlegende Voraussetzung, aber das bedeutet auch eine Umstellung für die Mitarbeitenden und Kursleitungen. Wir ermöglichen es den Dozentinnen und Dozenten, sich langsam an die neue Technik heranzutasten, z. B. an die Verwendung der interaktiven Smartboards oder die Durchführung von Kursen per Videokonferenz. Aber auch die TeilnehmerInnen müssen über entsprechende Endgeräte verfügen, um an den Online-Kursen teilnehmen zu können und bereit sein, sich auf die digitalen Formate einzulassen. Bei einigen Teilnehmenden mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten. Ihnen ist digitaler Unterricht zu unpersönlich oder es ist einfach nicht ihr Ding. Es ist wichtig, dass DozentInnen und TeilnehmerInnen das wirklich umsetzen wollen.
Das habe ich in positiver Weise bei der Durchführung des ersten Online-Kurses im Sprachenbereich erlebt. Die Kursleitung Frau Holthaus-Hövemann hat sich sehr dafür eingesetzt, ihren Englischkurs mit der Gruppe auch während des Corona-Lockdowns fortzusetzen und auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben mitgezogen. Da es unser erster Online-Sprachkurs war, gab es natürlich auch immer wieder anfängliche Probleme, von der Handhabung des Konferenzprogramms bis hin zum Absturz des Internets. Wir haben uns gemeinsam da durchgekämpft und wir alle haben viel daraus gelernt. Für mich war das der Anstupser noch weitere Sprachkurse online durchzuführen.
Entscheidend ist das Vertrauen zwischen den Leiterinnen und Leitern der Kurse und den Teilnehmenden. Das aufzubauen ist in Online-Kursen natürlich sehr viel schwieriger als in Präsenzkursen.
R. Schopmans: Das größte Hindernis ist und bleibt die schlechte Internetinfrastruktur. Wir wünschen uns einen zügigen Ausbau des Glasfasernetzes, um stabile Internetverbindungen zu haben. Für unsere Hauptgeschäftsstelle, mitten in Vechta, ist ein Glasfaseranschluss leider in nächster Zeit nicht in Sicht. Auch der Datenschutz spielt bei der Digitalisierung eine wichtige Rolle. Mit der vhs.cloud des Deutschen Volkshochschulverbandes sind wir hier auf der sicheren Seite.
Frage: Die Kreisvolkshochschule Vechta e. V. war während des Corona-Lockdown ziemlich schnell in der Lage, erste Kurse auf Online-Angebote umzustellen. Wo lagen die Vorteile?
R. Schopmans:Das liegt an unserer Struktur. Als Verein sind wir eigenständig und können flexibel auf neue Situationen reagieren. Wir haben keine langen Abstimmungswege, die uns ausbremsen würden.
Frage: Wie hat sich die Digitalisierung auf die internen Arbeitsabläufe ausgewirkt?
R. Schopmans: Wir mussten neue Strukturen aufbauen, Zuständigkeiten neu definieren und Abläufe digitaler gestalten. Es geht beispielsweise nicht mehr nur darum, einen Raum für einen Kurs vorzuhalten, sondern es muss die Technik vorbereitet werden, es müssen Lizenzen verwaltet werden, Teilnehmerkonten eingerichtet und Zugangslinks zu den Kursen vergeben werden.
E. Allen: Die Mitarbeiter stehen vor vielen neuen Herausforderungen. Immer wieder kommt es auch zu Aufgabenüberschneidungen, wo wir dann die Zuständigkeiten neu regeln müssen.
R. Schopmans: Im Verwaltungsbereich hat der Umstellungsprozess für erhebliche Mehrarbeit gesorgt. Durch die Corona-Einschränkungen mussten wir jedoch die Digitalisierung nach vorne bringen. Wir haben das Fass aufgemacht und wir waren flexibel genug, das hinzubekommen.
Frage: Wirkt sich die zunehmende Digitalisierung auf die Kursangebote der Kreisvolkshochschule aus?
E. Allen: Die Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Wir werden diesen Prozess mit Weiterbildungen entsprechend begleiten. Wichtig ist es, Grundwissen zu vermitteln, z. B. zu Themen wie Datenschutz, Soziale Medien, Fallen im Internet, Algorithmen usw. Aber auch digitale Präsentationstechnik und die Verwendung von digitalen Kommunikationsplattformen sind Themen, die wir in unseren zukünftigen Programmen stärker berücksichtigen werden.
R. Schopmans: Wir sehen auch, dass viele sogenannte „Digital Natives“ zwar in den sozialen Netzwerken von Facebook über Instagram und Snapchat bis hin zu WhatsApp sehr aktiv sind, Ihnen aber grundlegende Kenntnisse bei den Standard-Anwenderprogrammen wie Excel, Word, PowerPoint oder Outlook fehlen, die im Berufsleben gefordert sind. Hier wird auch weiterhin ein Schwerpunkt sein.
Frage: Wie geht es nach der Corona-Pandemie weiter?
R. Schopmans: Unser Geschäftsmodell ist und bleibt der Präsenzunterricht. Aber wir sind in einer Metamorphose. Der Umwandlungsprozess hat mit DozentInnen und TeilnehmerInnen im ersten Schritt gut funktioniert. Das werden wir auch nach Corona nicht wieder aufgeben. Denkbar ist die Ausweitung der Angebote auf andere Unterrichtsformen. So könnte es mehr Hybrid-Unterricht geben, bei dem z. B. die Auftaktveranstaltung in Präsenz durchgeführt wird, wo sich die Teilnehmenden und Kursleitenden kennenlernen können. Der weitere Unterricht wird aber dann als Online-Kurs durchgeführt.
E. Allen: Durch die Digitalisierung ist es auch möglich, dass KursteilnehmerInnen online zum Kurs dazugeschaltet werden, wenn sie z. B. gerade auf Reisen sind, Krankheitsbedingt nicht teilnehmen können oder gerade niemand auf die Kinder aufpassen kann. So hatten wir im vergangenen Jahr einen Teilnehmer, der sich auf einer Indienreise befand und sich von dort zum Kurs dazugeschaltet hat. Für die Teilnehmenden bedeutet das eine sehr viel größere Flexibilität.
Frage: Welche zukünftigen Chancen und Möglichkeiten aber auch Grenzen sehen Sie für die Digitalisierung in den Volkshochschulen?
R. Schopmans: Digitales Lernen wird zukünftig eine größere Rolle spielen beim „lebenslangen Lernen“. Stichworte sind „E-Learning“ und „Blended Learning“ bzw. integriertes Lernen. Beim „E-Learning“ findet der Lern- und Lehrprozess mit elektronischen, technischen und digitalen Hilfsmitteln statt. Beim „Blended Learning“ handelt es sich um eine Kombination aus E-Learning und Präsenzunterricht. Wir müssen als Volkshochschulen hier stärker zusammenarbeiten. Als kleine Volkshochschule haben wir nicht die Ressourcen, um E-Learning Angebote alleine zu entwickeln. Da sind wir auf unsere Dachorganisationen auf Landes- und Bundesebene angewiesen.
E. Allen: Dort sind bereits erste digitale Angebote wie z. B. „Ich-will-Deutsch-lernen“, ein Online-Sprachkurs für Flüchtlinge, entwickelt worden.
R. Schopmans: Die Digitalisierung macht uns ortsunabhängiger und ermöglicht es so, TeilnehmerInnen aus einem größeren Einzugsbereich anzusprechen. Hier würde ich gerne mit den anderen Volkshochschulen in der Region zusammenarbeiten. Wir können so gemeinsam Kurse anbieten, die in unserem Landkreis nicht genügend TeilnehmerInnen finden würden, aber in einem Verbund aus mehreren Volkshochschulen zustande kämen. Besonders im Bereich der beruflichen Bildung könnte das interessant sein. Es macht keinen Sinn, wenn jede Volkshochschule eigene Formate entwickelt, hier viel Geld reinsteckt und Ressourcen verschwendet. Gemeinsam können wir digitale Bildung mit professionellen Online-Formaten auf ein neues Level heben.
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